Wie sollte die musikalische Gestaltung im Gottesdienst aussehen? Welche Musik ist am besten geeignet für die wöchentliche Versammlung von Christen? Ist es vielleicht diejenige, die den Musikern am meisten Raum gibt, ihr Talent voll und ganz zu entfalten? Oder diejenige, zu der man als Zuhörer gut tanzen und seine Freude über Gott zum Ausdruck bringen kann? Ist es etwa die Musik, die sich an aktuellen Trends orientiert und den Nicht-Christen deutlich macht, dass wir gar nicht so langweilig und verstaubt sind? Oder ist es vielleicht genau das Gegenteil und man sollte besser versuchen, in dem Stil zu musizieren, der zu biblischen Zeiten gemacht wurde: Die originale Musik, mit der Gott „richtig“ verehrt wurde? Sollte man nur Kirchenlieder und Choräle singen, die seit Jahrhunderten von Christen in der Kirche gesungen werden, um eine wertvolle Tradition fortzuführen und zu zeigen, dass man dadurch mit Geschwistern aus allen Zeiten verbunden ist? Oder ist es doch eher so, dass das Schreiben von Kirchenmusik vor 200 Jahren seinen Höhepunkt mit Liedern erreichte, die alle wichtigen Merkmale enthalten, sodass man deshalb nur diese Lieder singen sollte?
Es gibt viele Ansichten dazu, was die richtige Musik im Gottesdienst ist, aber um die Frage wirklich zu beantworten, müssen wir von der anderen Seite anfangen. Wir dürfen uns nicht zuerst die Frage stellen, welcher Musikstil der richtige ist, sondern müssen mit der Frage beginnen, wozu wir überhaupt Gottesdienst feiern und wozu wir geschaffen sind.
Gott ist der Herrscher des Himmels und der Erde. Ihm gebührt alle Ehre und Anbetung zu allen Zeiten bis in die Ewigkeit. Der Sinn unserer Existenz, wie auch der Existenz von allem anderen, das Gott geschaffen hat, ist, ihn zu ehren und anzubeten, ihn zu kennen und zu lieben. Wenn sich Christen zum Gottesdienst versammeln, tun sie dies, um Gott zu ehren und anzubeten, um mehr über ihn durch sein Wort zu erfahren und um den Segen zu empfangen, der auf der Gemeinschaft mit anderen Christen und mit Gott liegt. Das alles ist ein Ausdruck der Liebe zu Gott. Wenn also der Sinn des Gottesdienstes die Ehre Gottes ist, dann müssen wir uns als nächstes anschauen, wie man Gott ehrt. Dazu sollten wir uns anschauen, wie in der Bibel Gottesdienste zu Gottes Ehre gefeiert wurden und welche Rolle Musik dabei gespielt hat.
Die Psalmen waren das Erste, woran ich in diesem Zusammenhang denken musste. Die Psalmen sind nicht umsonst das größte Buch der Bibel, weil hier gelebte Beziehung zu Gott ganz persönlich zum Ausdruck kommt. Zu biblischen Zeiten wurden die Psalmen als Anbetungslieder gebraucht, z.B. wenn man gemeinsam zum Tempel zog. Häufig findet man Psalmen, in denen der Schreiber beschreibt, dass er viel Unrecht erleidet, und in denen er Gott förmlich anschreit, ihm beizustehen und ihm aus der Situation zu helfen. Wenn man weiterliest, fällt häufig auf, dass der Psalm sehr düster angefangen hat und sich immer weiter in die Richtung entwickelt, Gott für seine Größe, Macht und Gerechtigkeit zu preisen. Andere Psalmen bestehen dagegen ausschließlich aus dem Lobpreis Gottes, indem zum Ausdruck gebracht wird, dass Gott groß und seine Schöpfung, die in jedem Detail auf ihn hinweist, bewundernswert ist. Viele Psalmen enthalten tiefe Aussagen darüber, wie Gott ist und wie die Beziehung zu ihm gelebt werden kann. An dieser Stelle können wir schon einige Dinge erkennen, die wahren Lobpreis ausmachen: Wahre Anbetung führt dazu, dass man den Blick von seinen eigenen Problemen weg, hin zu Gottes Majestät lenkt und erkennt, dass er der Herr ist, der in keinem Augenblick unsicher ist, wie er handeln soll und alles zum Besten seiner Kinder lenkt. Außerdem kann man erkennen, dass die Psalmen eine sehr natürliche Sprache sprechen und Dinge beim Namen nennen. Es ist keine abgehobene Lyrik, in die jeder das hineininterpretiert, was er darin sehen möchte, obwohl die Psalmen zum Teil höchst kunstvolle Dichtungen sind.
Eine weitere Sache zur Verwendung der Psalmen kann man sehen, wenn man sich anschaut, zu welchem Zweck Psalmen geschrieben und wann sie verwendet wurden. Es gibt einige Psalmen, die als Wallfahrtslieder geschrieben und regelmäßig von einer größeren Gruppe von Menschen gesungen wurden (Ps 120-134). Außerdem gab es sogar eine abgesonderte Gruppe der Leviten, die für die Musik im Tempel zuständig waren. Auch dort wurden Psalmen gesungen. Anhand von vielen Zitaten aus und Anlehnungen an Psalmen an verschiedenen Stellen der Bibel kann man aber auch sehen, dass die Menschen die Psalmen kannten und dass Psalmen in schwierigen Situationen in Erinnerung gerufen wurden und Trost spendeten. (Allein in den Evangelien findet man schon folgende Stellen: Mt. 4,6: Ps. 91,11f; Mt. 13,35: Ps. 78,2; Mt 21,16: Ps. 8,3; Mt. 21,42: Ps 118,22f; Mt. 22,44: Ps. 110,1; Mt. 27,46: Ps. 22,2; Mk 12,10-11: Ps. 118,22f; Mk 15,34: Ps. 22,2; Lk 4,10-11: Ps. 91,11f; Lk 20,17: Ps. 118,22; Lk 20,42-43: Ps. 31,6; Joh 2,17: Ps.78,24; Joh 10,34: Ps. 82,6; Joh 13, 18: Ps. 41,10; Joh 15,25: Ps. 69,5; Joh 19,24: Ps. 22,19.) Psalmen waren also an viele Menschen gerichtet und waren keine reinen Vortragslieder. Die Gemeinde sollte in den Lobpreis eingebunden sein. Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, auch mal ein Vortragslied im Gottesdienst zu haben, aber der gemeinsame Gesang sollte den Normalfall darstellen.
Wenn wir ins Neue Testament schauen, ist 1. Korinther 14 die wahrscheinlich prominenteste Stelle, in der wir etwas über die Feier des Gottesdienstes lernen. Dort legt Paulus besonderen Wert auf die Ordnung im Gottesdienst, weil Gott ein Gott der Ordnung und nicht der Unordnung ist. Das bedeutet auch, dass die Anbetung Gottes in jedem Aspekt geordnet sein sollte. Das Lob Gottes durch Lieder ist dabei ein Teil, der sich in andere Aspekte der Gottesanbetung (Gebet, das Lesen und Auslegen von Gottes Wort) eingliedert. Ein Gottesdienst ist kein Konzert. Es gibt viel gute Musik, die man zum Genuss hören kann, die aber nicht geeignet ist für den Gottesdienst (auch wenn sie vielleicht aus einem christlichen Hintergrund stammt).
Eine weitere Stelle, an der Gott gepriesen wird, ist der Engelschor im Lukasevangelium, der die frohe Botschaft verkündigt, dass Gott jetzt seinen Plan durchführt, die Welt mit ihm selbst zu versöhnen (Lk. 2,13-14). An dieser Stelle, wie auch schon in den Psalmen kann man sehen, dass auch die Engel eine klare Aussage in verständlicher Sprache verkündigen.
Wenn wir in die Offenbarung schauen, treffen wir auf die Situation, in der Gott auf dem Thron im Himmel sitzt und von 24 Ältesten umgeben ist, die auch auf Thronen sitzen und immer wieder vor ihm niederfallen und ihn anbeten. An diesen Bibelstellen fällt auf, dass die Anbetenden sinnvolle Worte finden, die tiefe Wahrheiten über Gott enthalten. Lobpreis zur Anbetung Gottes sollte also Text enthalten, der eine eindeutige Aussage hat, die Gott verherrlicht. Instrumentalmusik oder Musik mit einem Text, der viel Interpretationsspielraum lässt, findet man im biblischen Gottesdienst nicht.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Gott in Sprachen angebetet wurde, die die Anbetenden verstanden. Die Psalmen, die zu jeder Zeit als Anbetungslieder gebraucht wurden, wurden in hebräischer Sprache geschrieben, sodass alle Juden sie verstanden. Für uns bedeutet das, dass wir darauf achten sollten, dass jeder, der am Gottesdienst teilnimmt, die Sprache versteht, in der angebetet wird. Manchmal muss man abwägen, ob man ein Lied auf Englisch singt, wenn es keine gute Übersetzung gibt und alle Leute im Gottesdienst Englisch gut verstehen. Es kann sogar sein, dass man ein Lied nicht versteht, obwohl es auf Deutsch ist. Sprache ändert sich im Laufe der Zeit und sehr alte Lieder können Formulierungen enthalten, die man heutzutage nur noch schwer versteht. Man sollte beim Singen den Text verstehen und nicht erst das Lied vorher studieren müssen, um es zu verstehen. Es spricht nichts dagegen, alte Lieder zu singen, wenn sie verständlich sind und eine gute Aussage haben. Aber es spricht auch nichts dagegen, neue Lieder mit guten Aussagen zu schreiben und zu singen – in der Bibel wird sogar ausdrücklich dazu aufgerufen, neue Lieder zu singen (Ps. 47, 8; Ps. 96, 1)! Das wiederum bedeutet nicht, dass neue Lieder grundsätzlich vorzuziehen sind. Es gibt auch viele alte Lieder, die eine theologische Tiefe haben, die nur schwer zu erreichen ist. Zum Thema der Sprache der Lieder im Gottesdienst findet ihr hier übrigens auch einen aktuellen Artikel von Larry Norman.
Abschließen möchte ich nicht mit einer Liste von Musikstilen, die erlaubt sind und welchen, die nicht erlaubt sind, sondern mit einer Zusammenfassung der Prinzipien, die sich aus dem biblischen Lobpreis ableiten lassen. Daran kann man prüfen, ob ein Lied als Anbetungslied im Gottesdienst geeignet ist.
Der Text steht beim Lobpreis im Mittelpunkt. Er sollte klar verständlich sein und in seinem Inhalt Gott verherrlichen. Dazu ist es nötig, dass der Text in einer Sprache geschrieben ist, die alle Beteiligten verstehen. Weiterhin sollte der Text so formuliert sein, dass er eine klare Aussage hat, die nicht beliebig interpretiert werden kann. Für die Musik ist es wichtig, dass sie den Text unterstützt, sodass der Text klar verständlich bleibt und nicht verzerrt oder übertönt wird. Außerdem sollte die Musik zur Aussage des Textes passen und sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen.
Diese Kriterien kann und sollte man auf vielfältige und kreative Art erfüllen. Es gibt aber leider Gefahren darin, den falschen Ursprung für Emotionen im Lobpreis zu suchen. Es ist leicht, ein berauschendes Gefühl mit Musik zu erzeugen, indem man beispielsweise eine kurze Textpassage über mehrere Minuten immer und immer wieder wiederholt. Das ist leider nur ein psychologischer Trick und hat nichts mit dem Wirken des Heiligen Geistes zu tun. Auf der anderen Seite sollte man aber die Anbetung Gottes auch nicht zu einem toten Lobpreis machen, indem man versucht, alle Emotionen aus dem Lobpreis zu verbannen. An den Psalmen kann man leicht sehen, dass wahrer Lobpreis sehr emotional sein kann, wobei die Ursache der Emotionen aber nicht in einem psychologischen Trick, sondern in der Erkenntnis Gottes liegt. Man kann wahren Lobpreis auch daran erkennen, dass er zu einer tieferen Erkenntnis Gottes führt und längere und tiefere Auswirkungen hat, die den Gottesdienst und den Sonntag überdauern.
Unser Lobpreis sollte ein lebendiger Lobpreis sein, der von Herzen kommt und Freude und Ehrerbietung gegenüber Gott ausdrückt und hervorruft.
3 Kommentare
Ein sehr guter Artikel : )
Wegen der Instrumentalmusik frage ich mich aber doch, ob man wirklich sagen kann, dass ein biblischer Gottesdienst das nicht kenne. Psalm 150 wäre ein gutes Beispiel, das in eine andere Richtung weist.
Nichtsdestotrotz bin ich mir nicht sicher, wie man ein Gitarren-Solo oder Ähnliches (wie es ja oft bei modernen Lobpreis „Bands“ vorkommt) mit gemeinsamer Anbetung verbinden kann.
Ein paar interessante Gedanken dazu hat Bob Kauflin: http://www.worshipmatters.com/2007/01/05/worship-leaders-pastors-how-do-we-grow-in-using-musical-interludes/
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