Wonach sehnst Du Dich am meisten? Worum sorgst Du Dich?
Immer, wenn ich mich mit Frauen darüber unterhalte, kommen wir zu einem ähnlichen Ergebnis: Frauen wollen anerkannt und geliebt werden. Gleichzeitig gibt es ein Problem: Frauen fühlen sich selten anerkannt und geliebt. Sie haben oft den Eindruck, nicht gut genug zu sein. Auch die – in meinen Augen – schönsten, klügsten oder begabtesten, können einen ganzen Katalog zusammenstellen mit Dingen, die bei ihnen nicht stimmen. Oft fühlen wir uns nicht zugehörig, ausgeschlossen und unwürdig. Wir haben viele Probleme und Sorgen und oft empfinden wir Scham.
Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal hängt es mit der Familiensituation zusammen, in die wir hineingeboren wurden, oder mit schlechten Erfahrungen, die wir gemacht haben. Oft spielen falsche Ideale, die in unserer Gesellschaft vorherrschen, eine Rolle und natürlich die eigene Schuld und eigenes Fehlverhalten, die uns nachhaltig beschämen. Die Folge von allen diesen Dingen ist dieselbe: tiefe Scham und ein schwaches Selbstwertgefühl.
Ein interessantes Beispiel aus der Bibel ist Hagar in 1. Mose 16. Hagar ist eine Sklavin. Sie gehört zur niedrigsten Schicht der Gesellschaft und ist wenig wert. Ihre Stellung vor den Menschen ist gering. Dann soll sie ein Kind für Sara bekommen. Sie wird schwanger. Ein Kind zu haben, hebt das Ansehen einer Person beträchtlich (ungefähr so wie heutzutage ein toller Job oder sonstige Erfolge). Sie spürt diese Selbstaufwertung und fängt an, ihre Herrin zu verachten. Ihr Verhalten ist schlicht und ergreifend falsch. Sara ihrerseits erträgt das nicht lange und will sie nach Absprache mit ihrem Mann demütigen. Sie zeigt Hagar, was ihre Stellung in Wirklichkeit ist.
Hagar hat viel Schande erfahren. Sie gehört nicht zum gesegneten Volk Gottes, sie hat schlechte Erfahrungen mit ihren Vorgesetzen gemacht, sie wird Opfer einer fehlgeleiteten Familienpolitik ihrer Gesellschaft, leidet unter den Konsequenzen ihrer eigenen Schuld und sie ist allein. Davon, von irgendeinem Menschen Anerkennung zu erlangen, ist sie weit entfernt. Was macht sie? Sie flieht, gibt ihren Instinkten nach und versteckt sich. Ergreift alle möglichen Mittel, um der Schande zu entkommen. Dabei nimmt sie sogar ihren Tod in Kauf.
Was geschieht? Gott begegnet ihr! Er weiß genau, wer sie ist und spricht sie an als die, die sie ist: „Saras Magd“, er weiß was sie getan hat und was ihr widerfahren ist: „Wo kommst du her und wo willst du hin?“ Aber er erbarmt sich über sie und segnet sie reich. Er verheißt ihr eine große Nachkommenschaft, ein ganzes Volk soll von ihr abstammen – er erhört ihr Elend und sieht sie an als diejenige, die den Sohn seines Auserwählten in sich trägt.
Gott sieht nicht darauf, wer Du bist oder was andere Leute von Dir denken, auch nicht darauf, was Du gemacht hast oder was andere mit Dir gemacht haben. Wenn wir das Alte Testament lesen, fällt immer wieder auf, dass er sich über die Schwachen erbarmt. Warum bevorzugt er oft den Zweitgeborenen vor dem Erstgeborenen? Welche Gründe sprechen dafür, dass die Verheißungen an Abraham ergehen oder dass von David die königliche Linie ausgeht? Warum sind gerade die fünf Frauen aus Matthäus 1 in Jesu Stammbaum? Was verbindet Tamar, Rahab, Ruth, Batseba und Maria? Eines wird immer wieder deutlich: Es ist kein Ansehen der Person vor Gott (Römer 2,11), sondern wir werden ohne Verdienst gesegnet aus seiner Gnade.
Er segnet Hagar, weil sie den Sohn Abrahams in sich trägt. Sie begründet im weiteren Verlauf aber die Linie der Knechtschaft (Gal 4,25). Wir dagegen werden durch den Glauben an Gottes Sohn, Jesus Christus, in seine Familie aufgenommen, also in die Linie der Freien. Wie viel mehr wird er uns segnen? Er hat Jesus Christus gesandt, damit dieser unsere ganze Schande, all unsere Scham auf sich nimmt. Er macht uns heilig und gerecht, wenn wir an ihn glauben (Röm 8,30; 1. Korinther 6,11; Eph 2,1-10). Gott sieht uns nicht mehr als die an, die wir waren, sondern wir haben Anteil an seinem Ruhm. Er behandelt uns nicht mehr dementsprechend, wie wir sind oder waren, sondern dementsprechend wer sein Sohn ist! Es ist kein Raum mehr für Schande sondern nur noch Raum zum Lob seiner Herrlichkeit.
Hagar wird in 1. Mose 16 übrigens nicht nur gesegnet. Sie erhält auch den Auftrag, zurück zu gehen und sich unter Sara zu demütigen. Gott verspricht uns nicht, dass, wenn wir an ihn glauben, hier alles besser wird. Dass wir beliebt werden und perfekt vor den Augen der Menschen um uns herum. Dass uns kein Unrecht mehr geschieht oder dass wir plötzlich nicht mehr mit Sünde zu kämpfen haben. Aber er verheißt uns, dass unsere Leiden nicht ins Gewicht fallen werden gegenüber der Herrlichkeit, die uns erwartet (Röm 8,18). Lasst uns also versuchen, weniger Wert darauf zu legen, was Menschen von uns denken und uns mehr damit beschäftigen, wie wir ein Leben führen können, das Gott wohlgefällt! Lasst uns darum kämpfen, in der Liebe zu ihm und unserem Nächsten zu wachsen anstatt um unsere Ehre zu kämpfen. Lasst uns dafür beten, dass wir immer besser erkennen, dass es in diesem Leben nicht um unsere Ehre geht, sondern die Herrlichkeit unseres gütigen Vaters, der uns von der Schande unserer niedrigen Geburt als Sklaven der Sünde befreit hat und zu Königen und Priestern gemacht hat, die mit ihm leben sollen in Ewigkeit!
Stellen wir uns also immer wieder selbst diese Frage und beantworten sie: „Magd, wo kommst du her und wo willst du hin?“ Was ist dein Ziel?
Buchempfehlung:
Ein tiefes Empfinden von Scham und Unwürdigkeit kann von schwerem, erlittenem Unrecht herrühren. In diesem Rahmen konnte ich das Thema nur sehr oberflächlich behandeln. Interessierten empfehle ich deshalb das Buch „Shame interrupted“ von Edward T. Welch (auf deutsch: „Scham los: Befreiung von Wertlosigkeit und Ablehnung“).