„Was glaubt ihr Christen eigentlich?“ – Ein Interview mit Hanniel Strebel zum Heidelberger Katechismus

von Jonathan Malisi
1 Kommentar

Sehnst du dich auch manchmal nach prägnanten Antworten auf die großen Fragen des Glaubens? Wirst du von nichtgläubigen Freunden und Klassenkameraden gefragt: „Was glaubt ihr Christen eigentlich zu diesem oder jenem Thema?“. Quasi überall wird heute in unserer Gesellschaft Klartext gefordert. Doch bei  der Suche nach Antworten vergessen gerade wir Christen darüber zu oft, dass unsere Generation nicht die erste ist, die sich diese Fragen gestellt und biblische Antworten gesucht hat.

Hanniel Strebel hat nach seinen Vogelflügen zum AT und NT nun auch eine ausführliche Reihe mit Erklärungen, Anwendungen und aktuellen Bezügen zum Heidelberger Katechismus (HK) herausgebracht und füllt damit tatsächlich eine Lücke. Der HK ist trotz seines Alters (knapp 500 Jahre) offensichtlich immer noch eine große Hilfe, das Evangelium tiefer zu verstehen. Wie er uns ganz konkret zeigt, was es heißt, an Jesus Christus zu glauben und Ihm nachzufolgen, erklärt uns Hanniel im folgenden Interview:

Hanniel, in wenigen Worten: Was ist eigentlich ein Katechismus und braucht man so was heute eigentlich noch?

Der Zungenbrecher mit griechischen Wurzeln bedeutet „Unterweisung“. In konzentrierter Form werden durch ein Wechselspiel von Fragen und Antworten die Grundlagen des christlichen Glaubens behandelt.

Eine versteckte Vorannahme der heutigen Zeit ist die Meinung, dass wir uns gegenüber früher weiter entwickelt hätten. Das mag z. B. in technischen Belangen zutreffen. Doch wie C. S. Lewis in seiner Antrittsvorlesung in Cambridge 1954 treffend bemerkt hat, erleben wir eine beschleunigte Verabschiedung vom Christentum. Wir sind faktisch zum Neuheidentum zurückgekehrt. Das macht die Auseinandersetzung mit den christlichen Grundlagen umso dringender.

Um die Frage nach Herkunft und Bedeutung des Katechismus zu klären, habe ich übrigens die ersten sechs Folgen mit einer Dauer von jeweils ca. fünf Minuten aufgenommen („Warum Katechese?“) Wer noch nicht überzeugt ist, höre sich meinen Bonustrack „Der HK als Alternative zur Medienkatechese“ an.

Was ist das besonders Charakteristische am HK?

Es gibt einige auffällige Merkmale:

  • Zunächst sticht der persönlich-seelsorgerliche Charakter heraus. Der Einzelne wird angesprochen.
  • Manche Fragen zielen zudem auf den Nutzen und die Bedeutsamkeit der dargestellten Aspekte der christlichen Lehre. Dies ist ein wichtiges Bindeglied in die heutige Zeit.
  • Inhaltlich sticht der geniale Dreiklang Elend – Erlösung – Dankbarkeit heraus. Dies stellt für mich den eigentlichen Herzschlag des christlichen Glaubens dar (erläutert im Aufsatz „Drei Dinge, die du wissen musst“).
  • Ich nenne noch ein viertes Merkmal, das jedoch nicht nur für den HK gelten: Am Rand jeder Antworten finden sich Bibelstellen, Marginalien genannt. Ich achtete beim Kommentieren darauf, dass ich manche Stützstellen aus der Bibel heranzog. Es ist so wichtig, sich immer wieder die Frage zu stellen: Woher beziehe ich diese oder jene Überzeugung?

Wie bist du dazu gekommen, deine Audio-Kommentare aufzunehmen?

Den ersten Anstoß hierzu erhielt ich vor einigen Jahren von einer Kollegin aus dem beruflichen Umfeld. Sie meinte, ich sollte doch mit Podcasts beginnen. Verstärkt wurde diese Idee durch eine Freundin der Familie, welche die Beiträge – so formlos sie daherkommen – an manche Adresse schickt und mit Christen und Nichtchristen ins Gespräch kommt.

Mal ehrlich: Der HK ist doch schon 457 Jahre alt, seine Sprache ein bisschen antiquiert und Vieles in ihm ist schlichtweg nicht einfach zu verstehen. Warum also nicht nur einen modernen, „schlankeren“ (etwa New City) Katechismus benutzen?

Ich pflichte bei: Der New City Katechismus mit dem schicken Bild- und Lernmaterial ist eine vorzügliche Ressource und lehnt zudem inhaltlich an den HK an.

Mir ging es als Vater einer Großfamilie mit heranwachsenden Söhnen darum, auf diesen Grundlagen aufzubauen. Gerade die alte Sprache – ich erdreistete mich oft die Version von 1563 zu verwenden, die der deutsche Kommentar von Otto Thelemann verwendet – lässt uns aufmerken, weil wir an ungewohnte Formulierungen stoßen. Dies floss immer wieder in den mündlichen Kommentar mit ein.

Wie kann oder sollte man anfangen, den HK zu lesen und zu studieren?

Es hilft ungemein, sich zuerst ausführlich der ersten Frage mit dem inhaltlichen Überblick („Der einzige Trost im Leben und Sterben“) und der zweiten mit der Struktur („Warum wir im Elend sind“) zu widmen. Dann empfehle ich, zuerst die drei Teile zu überblicken. Man wird merken: Da gibt es die Behandlung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, einen ausführlichen Teil über Abendmahl und Taufe, einen Durchgang durch die Zehn Gebote und durch das Vaterunser.

Wäre es nicht besser, sich direkt mit der Bibel auseinanderzusetzen?

Das höre ich ab und zu als (Gegen-)Argument. In meinem eigenen Leben hat das Lesen der Bibel Vorrang; ich gehe in einem Jahr mindestens einmal durch das Alte und Neue Testament. Der HK, da er für die Pfarrer konzipiert ist, teilt sich in 52 Abschnitte auf. Man kann ihn also wochenweise konsultieren. Das sind verdaubare Portionen.

Hast du eine Empfehlung, wie man mit differierenden Ansichten (etwa zu Taufe o.Ä.) umgehen und trotzdem vom HK profitieren kann?

Hier gilt: Ich soll lernen, Texte gegen mich zu lesen. Wenn also eine auf biblischer Grundlage basierende Argumentation von meiner abweicht, dann kann ich ruhig darauf eingehen und mich fragen: Welche Aspekte waren mir bisher nicht vertraut? Welche überzeugen mich? Welche nicht? Gerade in der Tauffrage können wir dazu stehen, dass es Argumente für die Bundes- und die Glaubenstaufe gibt – und das nicht erst seit einigen Jahrzehnten.

Gibt es einen Aspekt des Evangeliums, der sich beim Lesen besonders eindrücklich erschlossen hat?

Der HK half mir wie kaum eine andere Schrift dabei, Verzerrungen des Evangeliums zu erkennen. Deshalb widmete ich auch mehrere Folgen (11-15) dieser Frage. Die Titel dieser Folgen lauten:

  • Fünf Wege, unser Elend zu überdecken
  • Vier Strategien, uns selbst Erlösung zu schaffen
  • Diagnose als Entschuldigung
  • Menschen als Retter, Aktivismus
  • Selbstrechtfertigung, Selbsterlösung, Moralismus

Hast du eine „Lieblingsfrage“? Falls ja, welche?

Abgesehen von den beiden ersten Fragen:

Die unangenehme F/A 5, die geniale F/A 6.

Die drei Fragen zur Vorsehung (Seine väterliche Hand; Vom Nutzen der Vorsehung)

Der Christen dreifaches Amt (F/A 32)

Die Formulierung Der Anfang der ewigen Freude (F/A 58), zudem diese: „auch unsere besten Werke sind in diesem Leben alle unvollkommen und mit Sünde befleckt“ (F/A 62)

Die detaillierten Antworten zu den Zehn Geboten mit der Doppelstruktur Laster – Tugenden (Folgen 60-71).

Vielen Dank für das Gespräch sowie Zeit und Mühe, die du in diese Aufnahmen investiert hast!

Hanniels Podcasts zum HK findest du hier:

Auch interessant

1 Kommentar

Publikation: Kommentar zum Heidelberger Katechismus – Hanniel bloggt. 24. Juni 2020 - 09:51

[…] Netzwerk Josia – Truth for Youth habe ich anlässlich der Fertigstellung ein Interview unter dem Titel “Was glaubt ihr Christen eigentlich?” gegeben. Darin erwähne ich eine – erschreckende – Fehleinschätzung, die uns unbewusst […]

antworten

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Cookies. Wenn Du die Seite weiter benutzt, gehen wir von Deinem Einverständnis aus. OK