Die Geschichte Abrahams erstaunt mich immer wieder. Da wird dieser Mann aus Ur (in Chaldäa) von einem Gott, den er bis dahin nicht kannte, für ein Erbe berufen, das er noch nie gesehen hat und in ein Land geschickt, von dem er nicht einmal weiß, wo es ist. Sicherheit sieht aus menschlicher Perspektive anders aus, oder?
Die Person Abrahams begeistert mich deshalb, weil wir bei ihm sehen, was echten Glauben ausmacht. Abraham war keineswegs ein Übermensch. Wenn man genauer hinschaut, merkt man, dass er z.B. ein ziemlich miserabler Ehemann war, der, um seine eigene Haut zu retten, bereit war, seine Frau abzugeben. Die Glaubenshelden der Bibel sind begnadigte Versager, geheiligte Rebellen und von Gott getragene Zweifler – das dürfen wir nie vergessen.
Trotzdem: Gerade wenn wir uns die Beschreibung seiner prägendsten Lebensstationen in Hebräer 11,8-19 ansehen, können wir ganz konkret sehen, was es bedeutet, auf der Grundlage des Glaubens zu leben. Hier ein paar Beobachtungen:
Der Glaube geht los. Das ist das erste, was wir bei Abraham sehen. Der Mann aus Ur wird von Gott wirksam berufen und geht los. Der Beginn dieser Geschichte zeigt, wie eng das Wort Gottes und der Glaube zusammenhängen: Der Glaube kommt durch das Wort, er hängt am Wort und er folgt dem Wort. Gott forderte Abraham auf, loszugehen, ohne ihn wissen zu lassen, wohin es gehen würde – und Abraham ging. Glaube hat grundlegend etwas mit Gehorsam zu tun. Es bedeutet, aktiv zu werden, wenn Gott mich durch die Bibel aufruft, Dinge hinter mir zu lassen, gegen Sünde anzukämpfen oder meine Geschwister mehr als mich selbst zu lieben.
Der Glaube sieht mehr. Wir sind geprägt von Bildern. Wir lassen uns begeistern und faszinieren von Dingen, die wir mit unseren Augen sehen und mit unseren Händen betasten können. Bilder machen etwas mit uns. Sie prägen unsere Identität, indem sie unsere Liebe formen. So etwas sehen wir auch bei Abraham, nachdem er im Verheißenen Land angekommen ist. Statt sich sesshaft zu machen, lebt er mit seiner Familie in Zelten. Warum? Weil er im Glauben auf etwas anderes sah – eine Stadt, deren Baumeister Gott ist. Abraham verstand sich als Fremder auf dieser Erde. Sein Glaube gab ihm eine andere Zugehörigkeit. Im Glauben sah er auf mehr, als mit den Augen zu sehen war. Wir müssen es neu lernen, aus der Zugehörigkeit und Identität, die wir durch den Glauben haben, zu leben. Dazu fordert uns Gott immer wieder auf. Wir sollen auf das blicken, was oben ist, wo Christus zu Rechten Gottes sitzt. Auf ihn sollen unsere Blicke gerichtet sein und auf das, was er für uns erwirkt hat – ewige Rettung, ein ewiges Erbe, Frieden mit Gott, ewige Sicherheit und Bedeutung.
Der Glaube vertraut weiter. Abrahams Leben war von Herausforderungen geprägt. Eine davon war das Warten auf den verheißenen Nachkommen. Als auch von biologischer Seite alles dagegen sprach, ließ Gott Sara schwanger werden. Abraham erachtete den für treu, der ihm die Verheißung gegeben hatte. Er sah nicht mehr auf die äußeren Umstände, sondern klammerte sich an Gottes Verheißung. Auch wenn die Umstände, in denen wir manchmal stecken, die besseren Argumente zu haben scheinen und die Wahrheit der Verheißungen Gottes scheinbar zerbricht unter dem Druck der niederschmetternden Gegenwart. Es gibt ein Argument, welches alle anderen aussticht: und das ist die Tatsache, dass unser Gott der Gott des Bundes ist und er niemals von seinen Verheißungen ablassen wird. Auch wenn deine Gefühle dich runterziehen, wenn dein Herz dich verklagt, wenn der Feind dir dein sichtbares Unvermögen um die Ohren wirft – Gottes Verheißungen, die er dir in Christus gegeben hat, stehen felsenfest. Sie geben dir die Kraft, weiter zu gehen, weiter zu kämpfen.
Der Glaube hält nichts zurück. In 1.Mose 22 sehen wir, dass echter Glaube ganz schön herausfordern kann. Ja, Gott zu glauben, kann sich aus der menschlichen Perspektive manchmal wie das Ende eines Traums anfühlen. Gott forderte Abraham auf, seinen geliebten Sohn zu opfern. Abraham hatte jahrelang auf den verheißenen Erben gewartet. Er hatte zwischendurch schon die Hoffnung auf einen Nachkommen aufgegeben. Und dann geschah dieses erstaunliche Wunder trotz aller Hindernisse und menschlichen Umstände. Der Erbe war da! Und nun? Eine gerade geborene Hoffnung scheint brutal den Bach runter zu gehen. Abraham wurde geprüft. Aber in ihm war ein starker, robuster Glaube an Gottes Verheißungen gewachsen. Eine Hoffnung, die durch nichts und niemanden zerstört werden konnte. Und angetrieben von dieser Hoffnung auf Gottes Treue und mit der Überzeugung, dass Gott gut ist, ging er mit seinem Sohn auf diesen Berg. So real die Möglichkeit da war, dass sein einziger Sohn sterben würde auf diesem Berg, genauso real war für Abraham die Möglichkeit, dass Gott ihn von den Toten auferwecken würde. Und die Wirklichkeit dieser Möglichkeit hatte er im Glauben ergriffen. Wir sehen: Abraham fürchtete Gott mehr als den möglichen Verlust seines Sohnes. Er hielt nichts zurück vor seinem Gott, sodass Gott selbst ihm sagen konnte: „Ich habe erkannt, dass du mich liebst, denn du hast mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten.“
Mehr als Abraham
Ich finde Abrahams Glauben unglaublich motivierend. Was mich aber noch mehr motiviert, meinem Gott zu glauben, ist der Blick auf Jesus Christus, meinen Erlöser. Denn Christus, der Sohn Gottes, war gehorsam und verließ die Herrlichkeit seines Vaters für mich. Er lebte im perfekten Gehorsam gegenüber seinem Vater. Er starb am Kreuz und erwarb mir ein ewiges Erbe. Ich darf auf das Kreuz sehen und zu meinem Vater im Himmel sagen: „Ich habe erkannt, dass du mich liebst, denn du hast deinen einzigen Sohn für mich gegeben.“ Herr, schenke uns Glauben!